Donnerstag, 31. Oktober 2013

Fettes Brot: Zwischen Oh Yeah und Okay

Fettes Brot
“3 is ne Party”

(Groove Attack)

Hey, steht’s nicht dick und fett vorn drauf? Party!? Oder besser: Paadie! Also Alter, was beschwerste Dich? Lass sie doch tanzen, die alten Herren, hamm’se sich das nich verdient? Eben. Dass es die drei aus Pinneberg allerdings gleich so ernst nehmen mit dem selbstgewählten Motto – nun ja, war vielleicht nicht mit zu rechnen. Geht aber in Ordnung. Die ersten vier Stücke allesamt zum Warmmachen, Anheizen (wie man früher so sagte), Nummer eins (“Wackelige Angelegenheit”) stolpert tatsächlich noch etwas unbeholfen ins Bild, doch dann geht sie ab die Sause, da wird mit dem Reimhammer zusammengehauen, was irgendwie zusammengehört. Als Tiefenpsychologen und Gesellschaftsanalytiker standen die Brote noch selten zur Verfügung, den fetten Beat mit dem passenden Text, nie blöd, gern mal albern, populär bitteschön, aber bitte nicht billig – das alles kann man auch auf diesem Album bekommen.

“Crazy World” klingt ein bisschen wie “MFG 2.0”, nun doch so ein bisschen Bestandsaufnahme aus dem ganzen kleingedachten und großgemachten Kuddelmuddel drumherum, poppt aber auch. Ganz lecker: “KussKussKuss” (noch leckerer allerdings in der DAF-Variante) und das dann doch recht flotte “Josephine #Schreibaby”, dicke Hose, Wort mit Witz, das macht den Jungens eben kaum einer nach. Danach: Old School, nicht eben schlecht, aber auch selten durch die Decke. Wippen und Disko für “Mehr Gefühl”, böse gucken für die Abrißparty (“Dynamit und Farben”), mhhhh – komischerweise funktioniert das “Echo” besser, ein bisschen ehrliche, abgebremste Sinnsuche soll ja nicht schaden, das muss nicht, aber das kann (mit Feuerzeug, natürlich).

Eurythmische Rapgymnastik, was geht ab? “Tanz den dicken Griechen! Heb das Dach hoch! Mach die Eisprinzessin!” – “Kalte Füsse” bringt jede Menge Spass ohne tieferen Sinn, tanzen und trinken heißt das Motto, verquatschte Parties sind ja selten die besseren. Und natürlich haben die drei ihre Hausaufgaben („Klaus und Klaus und Klaus“) gemacht: Augenzwinkern, Selbstironie, Luft rausnehmen – wir sind wieder da, haben ein komisches Pferd dabei und wenn Du mehr erwartet hast, dann ist das Dein Problem! Kennt man ja: Steht man halt blöd rum und keinen interessiert im Konfettiregen, ob Du jetzt Bock auf dies und das hast, ob das von gestern ist oder ob der Casper das besser kann. Die einzige Chance, die Du kriegst: Stock aus dem Hintern und mitgemacht. Kannst ja nachher twittern, dass die Party echt was für alte Säcke war… http://www.fettesbrot.de/

28.12.  Köln, Lanxess Arena
30.12.  Hamburg, O2 World
22.01.  Bielefeld, Stadthalle
23.01.  Dresden, Schlachthof
24.01.  Wien, Gasometer
26.01.  Zürich, Komplex
27.01.  München, Zenith
28.01.  Wiesbaden, Schlachthof
30.01.  Dortmund, Westfalenhalle
31.01.  Hannover, Swiss Life Hall
01.02.  Stuttgart, Porsche Arena
02.02.  Lingen, Emsland Arena
04.02.  Bremen, Pier 2
05.02.  Fürth, Stadthalle
06.02.  Leipzig, Haus Auensee
07.02.  Berlin, Columbiahalle

Planningtorock: Auf ein Tänzchen, Herr Putin

Vor einiger Zeit musste man lesen, dass ein gewisser Wladimir Putin in seinem Heimatland ein Gesetz verabschiedet hat, dass demjenigen eine Geldstrafe verordnet, der in Gegenwart Minderjähriger positiv über Schwule und Lesben redet. Kann man sich kaum vorstellen, ist aber so. Vorstellbar ist auch, dass sich Janine Rostron alias Planningtorock, mindestens ebensosehr wie man selbst über diesen gefährlichen Schwachsinn ärgern wird - im Februar kommenden Jahres wird sie ihr neues Album mit dem wegweisenden Titel "All Love's Legal" veröffentlichen und es bleibt zu wünschen, dass auch die Athleten der Olympischen Sommerspiele 2014 in Sotschi sich ein paar Exemplare davon in die Sporttasche packen und unter den Anwesenden verteilen - schaden kann's, wie man sieht, nix.

Bill Callahan: Idioten

Frauen können sich noch so ungeschickt anstellen, zum Idioten machen sich doch immer nur die Männer. Stimmt das? Aber immer. Das weiß auch Bill Callahan. Und hat im Videoclip zu seinem Song "Small Planes" (Regie Hanly Banks) vom wunderbaren Album "Dream River" einen stummfilmartigen Slapstickbeweis geliefert - hier.


David Bowie: Abbitte

Waren die vorangegangenen Worte etwas zu hart? Nun gut, die Abbitte folgt auf dem Fuße: Hier also der Link zum großartigen Video zum ebenso großartigen Song "Love Is Lost" des noch viel großartigeren David Bowie unter Mitarbeit des nicht weniger großartigen James Murphy (im "Hello Steve Reich Remix") und mit den Bildern des mutmaßlich auch großartigen Fotografen Jimmy King. Na, nun aber...

James Blake: Der Jugend der Vortritt

Bei allem Respekt für David Bowie: Es ist wohl ein gutes Signal, dass letzte Nacht nicht der alte Mann, sondern der junge und ambitionierte James Blake den renommierten Mercury Prize von Barclaycard für sein letztes Album "Overgrown" und damit im zweiten Anlauf einen der wichtigsten britischen Musikawards gewonnen hat. 2011 schon auf der Shortlist, da aber zu Recht von PJ Harvey ausgestochen, nun ein Jahr nach Alt-J endlich belohnt, seinerseits warf er nun so bekannte Namen wie die Arctic Monkeys, die Foals, Laura Marling oder die Savages aus dem Rennen.

Mittwoch, 30. Oktober 2013

David Bowie: Komplett

Nun ist also auch diese Edition komplett: Nachdem der Remix von James Murphy von "Love Is Lost" schon seit einiger Zeit im Umlauf ist, hat die SPEX nun alle Neuheiten zur Deluxe-Ausgabe von David Bowies "The Next Day", die an diesem Freitag erscheint, gesammelt und im Stream vorgestellt - gut zuhören, hier.

Devendra Banhart: Film Noir

Unbedingt hörenswert war sein neues Album "Mala" ja ohnehin schon, nun hat Devendra Banhart für den vielleicht schönsten Song daraus ein Video drehen lassen: Der Clip zu "Für Hildegard Von Bingen" wurde von Isaiah Seret (Cults, MGMT) verantwortet und zeigt Banhart in der Fluchtfantasie einer Klosterschülerin.


Arcade Fire: Sie kommen näher

Jetzt, nachdem das Album erschienen ist und sich genau als der Volltreffer erwiesen hat, den alle Welt erhoffte, heißt der nächste Spannungspunkt: Livekonzerte. Arcade Fire rücken mit ihren Tourankündigungen dem alten Kontinent immer dichter auf die Pelle, London, Glasgow und Blackpool sind gerade versorgt worden und für Deutschland heißt es nun hoffen. Zur Überbrückung kann man sich gern einen Mitschnitt der Netzplattform NPR aus den Capitol Studios in Los Angeles gönnen, aus aktuellem Anlaß ergänzt um die Stücke "Perfect Day" und "Satellite Of Love" von Lou Reed - hier.

Savages: Post war pictures

Die Savages haben zum wohl eingängigsten Stück ihres Albums "Silence Yourself", dem Song "Marhsal Dear", ein gewohnt ausdruckstarkes, bedrückendes Video abgeliefert - entstanden ist es als Zusammenarbeit zwischen dem Animationskünstler Gergely Wootsch und Gitarristin Gemma Thompson, ein paar Gedanken zur Entstehung gibt es bei Pitchfork zu lesen.

Montag, 28. Oktober 2013

The KVB: Zum Verwechseln

Das wäre eine Möglichkeit: Den Song anspielen, und dann die Sekunden zählen, bis jemand auf den Buzzer haut: "Erkannt - ganz klar: Joy Division!" Keine Ahnung, ob das das Ziel des Londoner Duos The KVB war, jedenfalls klingt "Again And Again", ein Stück von ihrer am 22. November bei Cargo Records erscheinenden Platte "Minus One", nach nichts anderem als - eben. Als Soloprjekt von Nicholas Wood gestartet, gesellte sich 2011 Kat Day dazu, mittlerweile ist Album Nummer drei im Kasten und den genannten Track kann man als erste Auskopplung schon mal bei Bandcamp vorhören.

Mogwai: Zurückmorden

Der letzte Albumtitel war schon ein Klassezitat, da darf es jetzt mal etwas simpler gestrickt sein: Nach "Hardcore Will Never Die, But You Will" werden die Postrocker von Mogwai Ende Januar ihre neue Platte "Rave Tapes" veröffentlichen, entstanden ist das Album wieder in Zusammenarbeit mit dem schottischen Producer Paul Savage. Mit "Remurdered" gibt es bei Soundcloud schon einen ersten Titel daraus zu hören, im kommenden Jahr stehen dazu noch ein paar Livetermine an.

04.02.  Frankfurt, Batschkapp
05.02.  München, Backstage Werk
06.02.  Berlin, Tempodrom
26.03.  Hamburg, Grosse Freiheit
27.03.  Zürich, Volkshaus
01.04.  Karlsruhe, Substage
02.04.  Köln, E-Werk

Warpaint: Zwischenlandung

Gerade melden Warpaint, dass sie auf der Insel gelandet sind, da darf man dann ganz gern auch mal darauf hinweisen, dass die vier Mädels in ein paar Tagen in Berlin Station machen werden und zu Beginn des nächsten Jahres endlich auch wieder das restliche Land begeistern wollen.

06.11.  Berlin, Heimathafen
23.02.  Köln, Gloria
25.02.  München, Strom
26.02.  Hamburg, Grünspan

Sonntag, 27. Oktober 2013

Lou Reed: Walked on the wild side

Was für eine Nachricht: Lou Reed, Gründungsmitglied von Velvet Underground, Ehemann von Laurie Anderson, Schöpfer so unzählig vieler erinnernswerter Songs, ist heute im Alter von 71 Jahren in New York verstorben.


Samstag, 26. Oktober 2013

Gloria: Klaas macht Ernst

Den Satz wird sich Klaas Heufer-Umlauf jetzt wohl öfters anhören müssen: "Na endlich macht der mal was Gescheites!" Mit gescheit ist in diesem Falle sein neuer Job als Bandleader gemeint - zusammen mit Wir-sind-Helden-Gitarrist Mark Tavassol hat der Zirkusdirektor von Halli Galli unter dem Namen Gloria eine Popformation ins Leben gerufen, die - und das war nicht unbedingt zu erwarten - ganz ohne Abfeiern und Rundumbespaßung ein paar respektable Songs geschrieben hat. Das gleichnamige Album ist gerade bei Grönland Records erschienen, Anfang November startet die dazugehörige Tour. Und weil die SZ meint, den beiden wäre eine "wunderbare Platte" gelungen, finden wir das auch und steuern mit "Wie sehr wir leuchten", "Warten" und "Eigenes Berlin" ein paar Kostproben bei.

07.11.  Essen, Zeche Carl
08.11.  Hannover, Musikzentrum
10.11.  München, Ampere
12.11.  Stuttgart, Wagenhallen
13.11.  Leipzig, Werk2
06.12.  Frankfurt, Zoom
07.12.  Köln, Gloria (haha!)
08.12.  Berlin, Lido
11.12.  Hamburg, Uebel & Gefährlich

Chvrches: Alles ganz einfach

Chvrches
Strom, München, 25.10.2013
Support: Thumpers

Wie pflegte doch die sympathische Quasselstrippe Markus Kavka seine Beiträge und Interviews abzumoderieren: „Ham‘wer wieder was gelernt.“ Ham’wer an diesem Abend auch. Eines der gängigen Vorurteile heißt beispielsweise: Elektronische Musik ist live einfach nicht der Bringer, alles vorgefertigte Konserven, dazu ein paar Halbplaybacks – wenn man nicht wenigstens einmal ein zehnminütiges Solo auf der Gitarre dahingniedeln kann, dann wird das nix mit der Stimmung. Schon falsch. Die Chvrches aus Glasgow fassen auf der Bühne keine einzige Saite an, auch das vom Rockmucker liebevoll als „Schießbude“ titulierte Schlagzeug wird man dort nicht finden – dafür zwei Synthesizer und eine Frau mit einer fabelhaft zarten, anschmiegsamen Stimme, charmant, einnehmend, einfach reizend. Und die Songs ihres Albums „The Bones Of What You Believe“, gerade erst erschienen und von bestechender Güte – Pop-Appeal satt, Ohrwürmer allesamt, der ausverkaufte Club kannte und liebte jeden einzelnen.

Auch das zweite Vorurteil – eine ansprechende Choreografie, Multimediashow, Effekte also gehörten heute zum unabdingbaren Standard, gerade wenn man sich um den leichtflüchtigen Pop kümmere – zum Teufel damit. Die Chvrches haben nicht mehr als ein paar Glühbirnchen in’s Sperrholz geschraubt, ab und an kriecht etwas Nebel über die Köpfe des Publikums, fertig ist die Laube. Lauren Mayberry, Ian Cook und Martin Doherty können sich stattdessen ganz auf  ihre Stücke verlassen – „We Sink“, „Gun“, „Recover“, „Tether“ und „The Mother We Share“, nicht ganz zu unrecht behaupten viele Kritiker, ihr Debüt habe eher den Charakter eines BestOf-Albums, so viele potentielle Hits seien dort auf engstem Raum versammelt. Und sie bekommen alle mühelos und in derselben Qualität auf die Bühne, der Sound ist ordentlich gemischt und hat genügend Biss.

Ein Vorurteil darf man dann aber gern noch bestätigen – Jungs eignen sich als Eintänzer für’s einfache Bumm-Bumm doch etwas besser als Mädchen: Für einen Song („Under The Tide“ tauschten Doherty und Mayberry die Arbeitsplätze und mit simpler Animation war die Menge binnen weniger Augenblicke am Hüpfen. Mayberry war dies offensichtlich fast etwas peinlich, so meinte sie danach, es dürfe ruhig weitergetanzt werden, eine ähnlich ausgelassene Performance sei von ihr aber kaum zu erwarten. Brauchte es auch gar nicht, der Abend war auch so unterhaltsam genug. Mangels Masse konnten die drei am Ende mit nur einer Zugabe glänzen, dafür gab’s hier das schöne Whitney-Houston-Cover „It’s Not Right, But It’s Okay“. Für das Konzert wäre das eine unzulässige Untertreibung gewesen, das fühlte sich richtig gut an.

Freitag, 25. Oktober 2013

Paul McCartney: Und jetzt alle

Wahrscheinlich war Paul McCartney einfach nur mächtig neidisch, dass sich eine Reihe honoriger Promis bei David Bowie in letzter Zeit die Klinke in die Hand gaben und seine Videoclips bevölkerten. Kann ich auch, dachte sich der Beatle und holte sich für "Queenie Eye" so ziemlich alles vor die Linse, was gerade in der Stadt war. Dramaturgie, Choreografie, braucht der Mann alles nicht, die Leute sind ja dankbar genug, wenn sie zu seinen Takten mit dem Hintern wackeln oder einfach nur gelangweilt in die Gegend starren dürfen, den Song machen sie damit allerdings auch nicht wirklich besser. Wer will, kann ja einfach mal die Namen mitschreiben - hier bei Vevo.

Throwing Muses: In's Detail

Die Throwing Muses haben einen weiteren Song ihres demnächst erscheinenden Albums "Purgatory/Paradise" preisgegeben - "Sunray Venus" kommt mit einem bunten Lyrics-Clip daher - hier bei Youtube.

Daft Punk: RAM in edel

Die beiden Helme selbst sind nicht dabei, aber eine Bastelanleitung wird sich sicher finden: Daft Punk machen ihre Ankündigung wahr und bringen Anfang Dezember eine Deluxe-Version ihres Beinahe-Klassikers "Random Access Memories" unter den Tannenbaum. Vinyl, Plastik, Bilder, Töne, Verlängertes, nie oder selten Gesehens - die Beigaben sind die für solche Boxen üblichen. Mit dabei auch zwei metallene USB-Sticks, passend zum CI der Band, Pitchfork hat da eine schöne Übersicht vorliegen. Ganze 275 Dollar soll der Spaß kosten oder knappe 200 Euro, bestellen kann wer will hier.

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Arcade Fire: Zu wahrer Größe

Arcade Fire
„Reflektor“

(Universal)

Okay, die Versuchung war schon groß, im entscheidenden Augenblick einfach die Klappe zu halten, nichts mehr zu sagen zu einem Album, dass wie keines zuvor in den letzten Jahren gepusht worden war, wo jeder noch so kleine Soundschnipsel, jede verschlüsselte Videobotschaft immer wieder auf‘s Neue eine unglaubliche Hysterie auslöste, schon Stunden später wieder getoppt von der nächsten Meldung, dem neuesten Gerücht. Jede, jedes, jeder machte mit: Arcade Fire – Disco? Wahnsinn! James Murphy produziert? Echt? Hammer! Reflektor? Genial! Doppelalbum? O!M!G! Nicht zu fassen, alles am durchdrehen – und morgen ist auch noch ein Tag? Ging natürlich nicht mit dem Schweigegelübde, hatte man ja vorher auch schon zu viel Arbeit reingesteckt, selbst Blog und Tweets gefüttert, jetzt konnte man es auch noch mit Anstand zu Ende bringen.

Und feststellen, dass dieses Album ein wirklich großes, wenn auch sperriges geworden ist, eines, dass den konventionellen Rahmen sprengt, ein Monster, ein Chamäleon, ein Grenzgänger. Irgendwo stand zu lesen, es würden Wetten abgeschlossen, wie lange wohl James Murphy brauche, um das Ende seiner so hymnisch gelobten Band LCD Soundsystem wieder zu kassieren, um abermals in den Ring zu steigen – hört man sich diese Platte, die natürlich auch seine ist, an, muss die Frage vielmehr lauten: Warum in Gottes Namen sollte er etwas derart Vorhersehbares wie den Rücktritt vom Rücktritt verkünden, wenn er doch eine ohnehin schon fabelhafte Band wie Arcade Fire, die mit dem letzten Album „The Suburbs“ schon im Rockolymp angekommen schien, wenn er deren Sound so gnadenlos umkrempeln, sie in Grenzbereiche führen durfte? Was kann jemanden wie ihn denn mehr herausfordern, mehr reizen als diesen kanadischen Kreativhaufen auf seine Art zu domestizieren (und also komplett von der Leine zu lassen)?

Progpop, Psychodance, was auch immer man hier hört, es wächst und wuchert, es federt und pulsiert und kennt kein Erbarmen. Die Band mischt angstfrei die Stile der letzten drei, vier Dekaden, funky Gitarren, wilde Afrobeats, Steeldrums, bratzige Analogsynthies, kaum ein Song, der sich mit einem einzigen Sound zufrieden gibt. Schon der Titeltrack war ein gradioses Gemisch aus Disko, Funk und Indierock, einzig die Talking Heads möchte man als Blaupause gelten lassen, deren ausgelassene Energie hat hier Schule gemacht. „Here Comes The Night Time“ zuckt schweißtreibend unter der Glitzerkugel, „Normal Person“ drängelt, schiebt, hypnotisch sowieso, Teil eins kulminiert im krachenden „Joan Of Arc“, fetter Bass, Chöre und – sie lassen nichts aus – Gainsbourg auf Speed, geht’s noch besser?

Zumindest monströser, Teil zwei führt hinab in die griechische Sagenwelt (auch wenn’s hier wohl der stickige, hoffnungslos überfüllte Großstadtclub, ein anderes Wort für Hölle, bleibt), Orpheus und Eurydike, don’t look back! – Rockungetüme, stampfende Drums, die später verschwommenen Klanggebilden weichen, nur noch dunkel pumpend. Nach dem überhitzten „Porno“ noch einmal Beats per Minute und Disko mit „Afterlife“, danach ist Schluß mit lustig, ganze elf Minuten darf sich „Supersymmetry“ Schicht um Schicht nach oben arbeiten. Nur wer sich seiner Sache sehr sicher ist, wer weiß, dass hier die üblichen Kategorien nichts mehr zählen, der setzt den Punkt auf diese Weise. Unabhängig davon, wieviel am Ende Band und Produzent in dieses Album investiert haben, wem also der größere Anteil zufällt, ohne Zweifel war die gemeinsame Sache eine lohnende. Vielleicht werden sich Arcade Fire mit „Reflector“ nicht so anstandslos wie mit dem Vorgänger in die Herzen ihrer Fans spielen, eine richtig große Band sind sie erst mit diesem Werk geworden. www.arcadefire.com

Der erste Komplett-Teaser seiner Art - auch das nur konsequent:

Dobré: Für den Setzkasten

Dobré
“United”

(Millaphon)

Schnell noch einmal das letzte Album der Münchner Dobré Revue passieren lassen – ein kräftiger Schluck aus der Pulle damals, zwischen “von” und “bis” war ganz viel Platz und dafür, dass die Jungs mit Folk, Blues, Rock und Pop wirklich nichts ausgelassen haben, konnte man mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. Zusammengehalten wurden die Stücke zweifellos vom bestechenden Songwriting des Sängers, Komponisten und Bandleaders Johannes “Joe” Dobroschke und glücklicherweise hat sich daran bei “United” nichts geändert. Auch wenn man liest, dass Dobroschke mittlerweile in London lebt und sich die Koordination gemeinsamer Aktivitäten somit um einiges schwieriger gestalten dürfte – Dobré beschwören mit dem Titel den Zusammenhalt und klingen tatsächlich (und zwar mehr als zuvor) wie eine gut funktionierende Einheit.

Natürlich lassen sich auch beim aktuellen Album allerlei Refrenzen erkennen, nur sind eben die Bezugspunkte enger zueinander gerückt, die Band klingt kompakter, der Sound zielgerichteter, ausgewogener. Wer möchte, darf hier The Shins oder Death Cab For Cutie wiedererkennen, musikalische Kunsthandwerker, denen zu früheren Zeiten ein paar Songs gelungen sind, die man heute noch, liebevoll in einer Art imaginärem Setzkasten abgelegt, im Kopf spazieren führt. Das sollte Dobré gleich mit mehreren Stücken gelingen – “Number In The Back”, “An English Summer” und “Flesh” sind so lässig wie perfekt ausbalanciert, es fehlt nicht an den nötigen Harmonien und auch die sorgsam dosierte Melancholie, die Dobroschke seinen Liedern nur zu gern mitgibt, gehört hier mit dazu.

Andere Stücke des Albums leuchten vielleicht nicht ganz so hell, an Qualität mangelt es ihnen trotzdem nicht: “Going Under” und “Low Battery” vertonen seltsam gut gelaunt die Identitätskrise einer ganzen Generation, “Time” zerrt mit ein paar Progrock-Reminiszenzen am Nervenkostüm des Protagonisten und wenn sich der ganze Rummel gelegt hat, setzt man sich, die Kaffeetasse in der Hand, zusammen mit Badly Drawn Boy zu Dobroschke auf die Fensterbank, pfeift den “Doo Dub” und hängt seinen Gedanken nach. Möglich, dass einem dann die Erkenntnis kommt, dass zwar vieles da draußen befremdlich, ärgerlich oder sogar beängstigend erscheinen mag – solange man jedoch ein paar von diesen wunderbaren Melodien zur Hand hat, läßt sich auch das ertragen. Für kurze Zeit. http://www.do-the-dobre.de/

26.10.  Fürstenfeldbruck, Alter Schlachthof
29.10.  Berlin, Flux Bau
30.10.  Rostock, Peter Weiss Haus
31.10.  München, Milla
02.11.  Augsburg, Hoffmannkeller

WinWin: Für die ganz Schnellen - für die erste Mail an info@mapambulo.de mit Name und Adresse gibt es die Platte von Dobré frei Haus und umsonst.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Prag: Neufassung

Fauxpas oder doch ein Schuldschein auf die Zukunft? Im Waschzettel zur neuen Platte von Prag wird Nora Tschirner schon als Tatortstar vorgestellt, obgleich sie dort noch gar nicht zu sehen war. Klar, gerade dreht sie zusammen mit Christian Ulmen für das Krimiformat der ARD in Weimar, ob dieser sogenannte "Event-Tatort" allerdings ein Erfolg wird, kann sich erst Ende des Jahres zeigen, dann nämlich läuft er in der Flimmerkiste. Deutlich eher, nämlich am 8. November, kommt die Akkustik-CD ihrer Band mit dem Titel "Matinée" in die Geschäfte, sechs Songs vom Debüt "Premiere" in anderer Besetzung neu eingespielt. Wer nach dem aktuellen Video von "Zeit" noch einmal Lust auf einen Konzertbesuch bekommt, für den gibt's nachfolgend noch ein paar Gelegenheiten:

05.11.  Wien, Theater Akzent
06.11.  Salzburg, Rockhouse
13.11.  Cottbus, Gladhouse
14.11.  Potsdam, Lindenpark
15.11.  Wuppertal, Live Club Barmen
17.11.  Braunschweig, Steigenberger Hotel

Captain Capa: Es geht voran

Captain Capa
“Foxes”

(Audiolith)

Die Musik der beiden Jungs aus dem thüringischen Bad Frankenhausen ist nicht ganz so leicht einzuordnen, was wohl auch daran liegen könnte, dass sich Hannes Naumann und Maik Biermann selbst nicht so recht entscheiden können, wohin genau nun die Reise nach drei Platten gehen soll. Für handelsüblichen, schablonierten Dancepop stecken auch im aktuellen Album zuviel Hirnschmalz und Frickelei, die hallenkompatible Technomucke können sie zwar leisten, auf Dauer scheint ihnen diese aber doch zu simpel, Electro wiederum klappt nicht, weil sie sich zu sehr in den Crossovergedanken verliebt haben und auf das eine oder andere bratzpralle Rockriff nicht verzichten wollen und für düsteren Wave haben sie einfach zu oft gute Laune. Da geht also nicht einfach so der Deckel drauf, nix Halbes und nix Ganzes nennt es, wer damit nicht so gut zurecht kommt, für andere ist es ein abwechslungsreicher Stilmix, der eben seine Stärken und Schwächen hat. Schwermetall satt gibt’s für “Ikari”, “Sirens” und “The False Shepherd”, hier heißt das Motto wohl “immer feste druff”, die Stücke kommen recht brachial daher, für allzuviel Feinheiten und Zwischentöne ist da kein Platz. Weitaus spannender die vollsynthetischen Tracks wie “Vienna” und “Lambda Core”, auch die softeren, poppigen Songs “Arsenic”, “Foxes” und “As Far As It Goes” gefallen mit hübschen Einfällen und Verzierungen, da stimmt der Beat, da bleibt was hängen. Für “Wittgensteins Monster” gab’s ein paar knappe Ansagen (“das Herz am linken Fleck”) als Schützenhilfe von den Labelmates Frittenbude, deren “Delfinarium” ein gutes Lehrbeispiel für mehr Stringenz abgeben könnte. Dranbleiben heißt die Devise. Und sonst? Geht die Platte in Ordnung. http://captaincapa.de/

25.10.  Erfurt, Centrum
26.10.  Wiesbaden, Schlachthof
31.10.  München, Feierwerk
01.11.  Leipzig, Elipamanoke
02.11.  Stralsund, 8Vorne
14.11.  Berlin, Binuu
15.11.  Halle, Drushba
22.11.  Bremen, Tower
23.11.  Bielefeld, Stricker
30.11.  Hannover, Bei Chez Heinz
06.12.  Hamburg, Molotow
07.12.  Oberhausen, Druckluft

Damien Jurado: Out of mind

Soviel Zeit muss sein: Mitte Januar wird Damien Jurado sein mittlerweile elftes Studioalbum "Brothers And Sisters Of The Eternal Son" auf Secretly Canadian veröffentlichen, zur Platte gibt es einen epischen Teaser, einen wirklich lesenswerten Essay von Father John Misty und natürlich auch eine Clubtour.

20.02.  Hamburg, Kampnagel
22.02.  Berlin, Heimathafen Neukölln
23.02.  Köln, Gebäude 9
25.02.  München, Milla
03.01.  Zürich, El Lokal

M.I.A.: Nicht mehr lang hin

Auch diese Platte wird aller Voraussicht nach in diesem Jahr - neben der neuen Arcade Fire selbstverständlich - noch einmal ein kräftiges Ausrufezeichen setzen: "Matangi" von M.I.A. ist für "die nächste Zeit" angekündigt, nach "Bring The Noise", "Come Walk With Me", "Only 1U" und "Bad Girls" ist "Y.A.L.A." die fünfte bekannte Nummer aus dem Album.

Midlake: Bekannte Muster

Dass die Texaner von Midlake eine deutliche Vorliebe für die Musik der Siebziger hegen, ist allgemein bekannt, daran hat sich auch nach dem Abgang von Sänger Tim Smith nichts geändert. Im Video zur Vorauskopplung "Antiphon" aus dem gleichnamigen Album gibt's deshalb zu Orgel- und Gitarrenklängen reichlich psychedelisches Farbenspiel zu bewundern - hier bei Vimeo.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Lorde: Let them talk

Lorde
„Pure Heroine“

(Universal)

Bilderbuchkarriere, nächste Ausbaustufe? Will da noch wer den neuerlichen Untergang des Abendlandes herbeirufen? Weil sich Universal angeblich schon an die Neuseeländerin heranwanzte, als sie gerade mal zwölf war? Mit den Eltern einen Deal aushandelte und sie mehr als frühzeitig unter Vertrag nahm? Zu vermuten ist, dass Ella Yelich-O’Connor, so der Klarname, ihren Weg so oder so gemacht hätte – sie hat, das darf man wohl glauben, alle Songs auf dem vorliegenden Album selbst geschrieben und diese sind, auch die Behauptung ist nicht allzu verwegen, von einer Qualität, die in Anbetracht des Alters Staunen macht. Und irgendwie scheint dieser Weg dann doch der bessere zu sein, als das Mädchen durch die Mühlen des X-Factor-Idol-Casting-Schwachsinns zu drehen und am Ende ein desillusioniertes Teengirl mit einer Halbwertzeit von zwei lausigen Singles abzufeiern. Um das zu tun, was sie wollte, bekam sie mit Joel Little einen jungen und vergleichsweise unbekannten Produzenten an die Seite und das Ergebnis kann sich hören lassen.

Anschmiegsamer, trippiger Mainstreampop, keine Frage, die Ausschläge nach oben sind überschaubar, aber nach unten hört man halt auch keine – klug arrangiert, nicht platt, nicht billig, und mit ein paar Einfällen garniert, die den einen oder anderen Song vom Mittelmaß scheiden. Besonders die Singles – der Opener „Tennis Court“ mischt klackende Beats mit bratzigen Synthloops und Lordes dunkle, leicht belegte und frühreife Stimme tut ein Übriges, nicht anders das wunderbare „Royals“, smarter Abgesang auf das Lieblingsklischee von den verzogenen Wohlstandskids, dazu ein paar feine Gospelanleihen – viel perfekter kann man einen Ohrwurm wirklich kaum zusammenbasteln.

Überhaupt – diese Stimme. Vor wenigen Wochen war es ein ähnlich talentierter, nicht viel älterer Archy Marshall alias King Krule, dessen Vocals so viel mehr zum Klingen brachten, als er in seinem kurzen Leben erlebt haben konnte, auch Ella Yelich-O’Connor verdient sich diese Aufmerksamkeit mit einem Timbre, dass angenehm zwischen Karin Dreijer Andersson von The Knife, The XX’s Romy Madley Croft und natürlich Florence Welch changiert. Und auch wenn Stücke wie „Glory And Gore“ oder „400 Lux“, eben weil sie so verteufelt eingängig, wohltuend und soft pulsieren, den Hörer unweigerlich in eine willkommene Tiefenentspannung versetzen könnten – diese Stimme läßt einen wach dabeibleiben. Wer das nun alles aus den oben genannten Gründen für verfrühten Lobgesang oder übertriebenen Zinnober hält, für den gibt’s am Ende von „A World Alone“ noch eine denkbar kurze Grußadresse: „People are talking, let them talk“. Ist was dran. http://lorde.co.nz/

Nick Cave And The Bad Seeds: Kurzkonzert

Leute, die es besser wissen, haben schnell herausgefunden, dass dies seine vierte Live-Platte wird - nicht mitgezählt eine polnische Pressung aus dem Jahre 1999: Nick Cave und seine Bad Seeds werden Anfang Dezember das zehn bzw. zwölf (Vinyl-Edition) Tracks umfassende Album "Live From KCRW" veröffentlichen - aufgenommen in der ersten Jahreshälfte bei einer Studiosession in Los Angeles. Das genaue Tracklisting gibt's auf der Seite des Künstlers, den Teaser bei Youtube.

G.Rag & Die Landlergschwister: Still movin'

G. Rag & Die Landlergschwister
“Honky Tonkin’”

(Gutfeeling)

Einer der unbestreitbaren Vorteile übermäßig großer Musikkollektive ist die Vielzahl der Ideen, welche sich aus den einzelnen Mitgliedern für die gemeinsame Arbeit gleichsam destillieren lassen. Okay, das gilt jetzt nicht für den Chor der Russischen Schwarzmeerflotte, und gemessen an anderen Beispielen wie I’m From Barcelona (30), Polyphonic Spree (24) oder auch Lambchop (18) sind die G.Rags selbst zusammen mit den Landlergschwistern und den beiden Hunden Lola und Pauline ja doch eher Kleinkunst. Und dennoch zeigt sich, dass es die vierzehn musizierenden Freigeister ein ums andere Mal (und somit auch beim aktuellen Beispiel) schaffen, immer wieder neue Klangfarben anzumischen, stets kleine Türchen zu öffnen, von denen man meinte, man habe sie schon durchschritten, nur um danach festzustellen, dass der Raum doch ein neuer ist. Wer’s schnörkellos will: Die Spielfreude scheint ungebrochen. Vom ausgelassenen Zwiefachen zur angemessen traurigen Marching Band (“Bartholomew”), die amüsante Doppelnummer “Föhnwind”/”Boogie Krainer” schickt ein breites Grinsen ins Gesicht, die Schwingtür des Saloons haut dem unschlüssigen Besucher im Titelsong von hinten auf’s Kreuz und die schwermütige “Johanna” dreht ihre behäbigen Runden überm zerkratzten Parkett – bayrische Eigenart trifft Südstaatenflair und meint doch eigentlich seit jeher das gleiche. Und wer zum “Monaco Franze” noch eine Erklärung braucht, dem ist eh’ nimmer zu helfen. Was anderes war also zu erwarten als eine kurzweilige Sammlung von Zeugnissen anhaltender, ungebremster Lust am Musizieren – genau das ist es geworden.

G.Rag & Die Landlergschwister bei Gutfeeling + Download "Honky Tonkin'"

Montag, 21. Oktober 2013

Arcade Fire: Das Leben danach

Mehr als ein Radio-Rip ist momentan nicht zu bekommen, die Qualität des Songs lässt sich aber auch hier schon ahnen - "Afterlife" ist der nächste Song von Arcade Fire, der als Leak seine Runden vor der Zeit drehen darf, vor dem offizellen Release von "Reflektor" am Freitag dieser Woche also. Und zwar hier bei Soundcloud.

U2: Ihr Fachgebiet

Wer anders hätte diesen Song wohl machen sollen, wenn nicht Bono und seine Benefizkapelle? Wenn bald der neue Film "Mandela - Long Walk To Freedom" in die Kinos kommt, dann wird sich auf dem Soundtrack mindestens ein Song von U2 befinden. "Ordinary Love", von dem hier die Rede ist, kann man auch ausschnittsweise schon im dazugehörigen Filmtrailer hören, die Hauptrollen in der Verfilmung der Autobiografie von Nelson Mandela spielen im Übrigen Idris Elba und Naomi Harris.

Darkside: Slow Motion Pictures

Deutlich spannender machen es da schon die beiden Herren von Darkside: Zusammen mit dem spanischen Regisseur Fernando Vallejo haben sie einen Clip für den letzten Song ihres fabelhaften Albums "Psychic" gedreht - die Bilder zu "Metatron" erinnern ein wenig an Larry Clarks "Kids" - zu sehen gibt's den Film bei Vimeo.com.

Azealia Banks: Nuthin' new

Nichts Neues unter der Sonne: Knappe Outfits, knallige Farben, derbe Rhymes - Azealia Banks präsentiert für ihren nicht mehr ganz so taufrischen "ATM Jam" ein Video samt fein geschmückter, etwas dümmlich dreinblickender Gespielinnen - hier bei Vevo.

Sonntag, 20. Oktober 2013

Kanye West: Der Heiland steigt herab [kick off]

Noch ist nicht ganz klar, ob und wann Kanye West mit seinem neuen Album "Yeezus" und der dazugehörigen Tour nach Europa und Deutschland kommen wird, gerade jedenfalls hat Gottes neuer Stellvertreter auf Erden in Seattle seine Amerikarundreise begonnen und wie erwartet strotzt das Programm von gigantischen visuellen Effekten, phantastischen Choreografien und jeder Menge komplett größenwahnsinniger Selbstüberhöhung - der Kanye halt. Ein Berg biblischen Ausmaßes (jedenfalls was Kulisse und Halle so hergaben) schmückt die Bühne, ein Jesus-Lookalike tritt auf und jede Menge Sakralmusik füttert die Show - bei CoS gibt's ein paar hübsche Bilder und Kanyetothe.com die passenden Wackelfilmchen.

Die Heiterkeit: Herbstzeit - los

Den Hinweis zur aktuellen EP und der dazugehörigen Tour gab es hier schon, nun wird der Clip zum Song "Daddy's Girl" nachgeliefert - bittesehr: Die Heiterkeit feiern den Herbst auf Youtube.

Samstag, 19. Oktober 2013

Sophie Ellis-Bextor: U-Turn im Spitzenkleid

Man hat sie in Erinnerung als die Frau, die tough genug war, Robbie Williams einen Korb zu geben, als er nach einem Duett anfragte, sie war so etwas wie ein richtiger Star auf der Insel - dann ist es still geworden. Die letzten Alben ließen den Popappeal vermissen, kein Big Bang mehr, selbst Williams war zwar nicht besser im Geschäft, aber öfter im Gespräch. Nun also kommt Anfang des Jahres mit "Wanderlust" das fünftes Album von Sophie Ellis-Bextor in die Läden und man darf gespannt sein, ob ihr der U-Turn gelingt.

Freitag, 18. Oktober 2013

Bondage Fairies: Plattenpolizei

Letzte Woche war es die gute Janelle Monáe, heute sind's zwei knüppelnde Mangagirls, die für die schwedischen Bondage Fairies durch die Gegend wetzen und dreiste Plattendiebe aufspüren - irgendwie muss man seine Leser ja ins Wochenende schicken. Der Song "Head On" ist seit heute via Audiolith im Verkauf, der Clip steht bei Youtube und die Band in den nächsten Tagen noch live zu erleben.

18.10.  Ilmenau, BC Club
19.10.  Braunschweig, Nexus
20.10.  Berlin, Comet
21.10.  Düsseldorf, FFT
22.10.  Hannover, Lux
23.10.  Köln, Sonic Ballroom 
24.10.  Landau, Fatal
25.10.  Augsburg, Ballonfabrik
26.10.  Wiesbaden, Schlachthof (+Captain Capa)
27.10.  Nürnberg, Nürnberg Pop

Django 3000: Vollgas und Folklore

Django 3000
München, Circus Krone, 17.10.2013

Die gute Nachricht vorab: Sie haben ihn tatsächlich gerockt. Keine Selbstverständlichkeit – noch vor einem Jahr gastierten die Jungs aus dem Chiemgau mit ihrem explosiven Zigeunerpunk noch in überschaubaren Lokalitäten wie dem Münchner Ampere, der Schritt in den Circus Krone war deshalb durchaus ein mutiger. Bangemachen galt aber nicht, schließlich kann die Band problemlos das gängige Repertoire an Rockstargesten abrufen, von der hochgereckten Faust, der stetig wiederkehrenden Stimmungsabfrage, variierte Choranimationen und – etwas spezieller – des (Kontra)bassisten akrobatische Belastungsproben für’s eigene Instument. Keine halbe Stunde dauerte es, und Django 3000 hatten die gut gefüllte Arena in der Hand, dabei spielte es kaum eine Rolle, ob die Stücke vom alten oder aktuellen Album kamen – das Quartett präsentierte ohnehin fast alle im beschleunigten “Hopaaa!”-Modus und das Publikum nahm die Einladung zum Feiern gerne an. Man darf wohl darüber streiten, ob ursprünglich ruhiger angelegte Stücke wie “I Wui Hoam” diese Überdrehtheit vertragen, letztlich gab ihnen die ausgelassene Stimmung recht und der ewige Nörgler musste für’s erste schweigen. Veritable Gassenhauer wie “Rucki Werch!”, “Da Wuide und da Deifi”, “Django Django” funktionierten ebenso problemlos wie die neueren Hochgeschwindigkeitsnummern “Herz wia a Messa” und “Danz ums Feia”, aus der kleinen Moshpit wurde schnell eine größere – Party auf Ansage war erklärtes Ziel und in punkto Planerfüllung macht den Jungs so schnell keiner was vor. Dass im entsprechend größer gefassten Rahmen auch manches auf der Strecke bleiben musste steht außer Frage – die vier haben zwar keineswegs ihre Seele verkauft, aber vielleicht ein Stück ihrer Unverwechselbarkeit und Vielfalt drangegeben. Ob also die zotteligen Ungetüme und ungelenken Trachtentänze mit der “Heidi” am Ende wirklich nötig waren, um die Masse bei Laune zu halten, darf ernsthaft bezweifelt werden – ohne ironische Brechung bleiben solche Einlagen oft nur als folkloristischer Firlefanz in Erinnerung. Geschenkt – hier macht es sich bezahlt, dass bei derartige hohen Drehzahlen, wie sie die Djangos im Programm haben, längere Grübeleien ohnehin kaum möglich sind, in diesem Sinne: Hopaaa!

Weitere Livetermine unter http://www.django3000.de/live.php

Camera Obscura: Spooky Zeitsprung

Irgendwer hat hier ganz sicher ein paar Pillen zuviel erwischt, zumindest aber diese trashigen Psychofilmchen aus den 70ern ins Herz geschlossen: Lang hat's gedauert, bis der Clip auch hier zu sehen war, nun hat Clipfish das Video zu "Troublemaker" von Camera Obscura im Angebot, und egal, wie sehr einen die gruselige Dramaturgie anspricht, der Song ist schon jetzt für die Top Ten des Jahres gesetzt.

Atoms For Peace: Verwüstung

Das ist eine ziemlich sandige Angelegenheit: Thom Yorke und die Atoms For Peace haben für "Before Your Very Eyes", den Einstiegssong ihres Albums "AMOK", einen unterhaltsamen Animationsclip ins Netz gestellt - zu sehen bei Dooloop.TV.

Disappears: Später eingestiegen

Es hat schon seine Vorteile, wenn man ab und an mal bei quietus.com vorbeischaut, gerade weil die Damen und Herren dort über einen ausgesuchten und exzellenten Musikgeschmack verfügen. So lassen sie heute erstmals eine Coverversion des Kraftwerk-Titel "Trans-Europa-Express" auf dem Plattenteller rotieren, welche von der Chicagoer Postpunkband Disappears aufgenommen wurde. Auf der dazugehörigen B-Seite versuchen sich Cloudland Canyon dann an "Radioaktivität". Einsteigen? Hier.

Glasvegas: Große Gefühle, kleiner Rahmen

Schottland bleibt top: Nachdem die Chvrches in den nächsten Wochen und Monaten ausgiebig durch deutsche Clubs und Hallen touren, lassen sich auch Glasvegas nicht lumpen und melden sich im kommenden Jahr für drei Termine an - die Locations sind diesmal deutlich kleiner gewählt:

26.01.  Köln, Gebäude 9
28.01.  Berlin, Magnet
29.01.  München, Backstage

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Son Of Dave: Eine Runde um die Häuser

Son Of Dave
“Blues At The Grand”

(Kartel)

Für Auskenner ist Benjamin Darvill natürlich bei weitem kein Unbekannter, nach seinem Abschied von den Crash Test Dummies hat der kantige Kanadier unter dem Alias Son Of Dave schließlich schon ganze fünf seiner eigenwilligen Bluesalben produziert. Er gilt als ausgesprochen unterhaltsame One-Man-Show, holte sich für einen Song schon die Trip-Hop-Prinzessin Martina Topley-Bird an die Seite, arbeitete mit Indielegende Steve Albini und einer seiner Songs lief schon in einer Episode der auch hierzulande supertrendigen US-Serie “Breaking Bad”. Je mehr man sich mit diesem Mann beschäftigt, desto interessanter erscheint sein Profil, denn auch ein Bezug zu Deutschland ist schnell gefunden: Denn schließlich stand der Mittvierziger schon als Support für die Dancehallcaballeros von Seeed auf der Bühne, kurz danach steuerte er seine unnachahmliche Beatbox für den Song “Zum König geboren” des Rostockers Marteria bei – der Mann kommt also rum.

Für Album Nummer sechs allerdings zieht er weitaus kleinere Kreise – “Blues At The Grand” könnte gut und gern als Soundtrack für einen feuchtfröhlichen Zug durch die Gemeinde verstanden werden. Wer einigermaßen wortgewandt oder gleich Slampoet ist, der wird aus den folgenden Titeln ganz schnell eine halbwegs spannende Sauftour zusammenklöppeln: “Hot Summer Nights” – “We Goin Out” – “Titty Shake” – “They Let Too Many People In”. Das Ganze kann dann, wer will, mit “Lay Your Hands” noch standesgemäß ausklingen lassen, diesen Song teilt sich Darvill im Übrigen – auch das wieder ein kleines Ereignis – mit der britischen Schauspielerin Jessica Hynes.

Großartige Änderungen sind ansonsten nicht angesagt, der Blues ist trocken, erdig und bei bester Laune, auch das verwendete Instrumentarium ist das gleiche geblieben, die Gitarre twangelt, die Mundharmonika röchelt mit ihrem rauhen metallischen Klang und der Beat stampft breitbeinig durch die Kulissen. Besonders gut gelingt das im etwas heruntergebremsten “Bow Wow”, Darvill versteigt sich hier zu einem überdrehten, katzenähnlichem Geheul, so dass man sich fast ein wenig Sorgen um seine körperliche Unversehrheit machen will. Am Ende der Nacht verlangt es den Gebeutelten nur noch nach einer Runde Mitleid – “Poor Me”/”If Only” – der Abgang im Stile von Tom Waits, was könnte besser zu einem zünftigen Gelage passen. In diesem Sinne: Happy Hangover! http://www.sonofdave.com/

Weiterführend und äußerst unterhaltsam - Son Of Dave für die Roberto Cavalli Man Fall/Winter Collection 2012/13:

 

Travis: Ohne Gewähr

Macht man sich eigentlich strafbar, wenn man der Verbreitung gähnend langweiliger Musikvideos Vorschub leistet? Nicht? Na dann - hier ist der Clip zur Single "Mother" von Travis, gedreht mit einem - Achtung, Trommelwirbel: iPhone! - na, da sage noch jemand, die Jungs würden sich jedweder Neuerung verschließen ...

Robbie Williams: Swing auf dem Zoch

Auf dem Kölner Zoch hätte er mit der Nummer sicher riesig Kasse gemacht: Im Video zu "Go Gentle", der ersten Auskopplung aus Robbie Williams' zweitem Swing-Album "Swings Both Ways", schippert der Jung im sexy Kapitänsoutfit und begleitet von einer putzigen Bootskapelle auf einem Holzschiffchen durch die Straßenschluchten seiner Wahlheimat USA. Klar riecht das ganze nach Notlösung, weil doch das letzte Album der smarten Rampensau "Take The Crown" nicht den gewünschten Erfolg hatte und Swing doch immer geht, andererseits hat er sich für diese Platte neben dem Kelly Clarkson und Michael Bublé eben auch Lily Allen und Rufus Wainwright ins Studio geholt. Und die beiden möchte man schon noch hören, bevor das Schiff auf Grund (und die Karre in den Dreck) läuft. Der Clip läuft übrigens auf Muzu.TV.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

The Paper Kites: Schnelldurchlauf

7 - 350 - 4000, das sind die Kennziffern für ein faszinierendes Videoprojekt der Animationskünstler von Oh Yeah Wow. Für den Song "Young" der australischen Indiefolkband The Paper Kites haben die Jungs und Mädels ganze sieben Tage lang 350 Gesichter in mehr als 4.000 Einstellungen fotografiert und dann in weiteren zehn Tagen zusammengepuzzelt. Das zu beschreiben ist jetzt ein wenig trocken und unspektakulär - am besten, man schaut sich den Clip bei Vimeo selbst an (Thanxalot an Testspiel.de).

Keziah Jones: Neue Welle

Diese Platte, dieser Mann gehörten vor Jahren zur Grundausstattung all derjenigen, die behaupten wollten, sie verständen etwas vom Sound der 90er: "Blufunk Is A Fact" von Keziah Jones war für viele zudem ein erster ernstzunehmender Kontakt mit Afrobeat und wer von Fela Kuti noch nie etwas gehört hatte, der konnte wenigstens die Musik des Mannes aus Lagos in Nigeria als Alibi vorweisen. Jones bringt Anfang November sein bislang sechstes Studioalbum "Captain Rugged", benannt nach der von ihm geschaffenen Kunstfigur, heraus und mit "Afronewave" gibt es Vorabsingle und Video bei Muzu.TV zu hören/sehen.

Laibach: Wieder alles anders

Gute Nachrichten für die Anhänger des slowenischen Kunstkollektivs Laibach: Ganze acht Jahre nach ihrem letzten regulären Album "Volk" wird die Band im Februar kommenden Jahres ihre neue Platte "Spectre" veröffentlichen, angeblich, so das Label Mute, soll auf diesem Longplayer wieder einmal vieles anders sein als zuvor. Wer nicht so lange warten will, kann sich unter dieser Adresse die Vorab-EP "S" downloaden, welche schon drei Stücke des kommenden Albums und eine Liveaufnahme des Gainsbourg-Titels "Love On The Beat" aus der Londoner Tate Modern enthält.

Duran Duran: Nicht das Übliche

Wahnsinn, diese Haarpracht! Fast übersehen und doch für ein Kind der 80er nicht ganz unwichtig: Das Label Manimal aus Los Angeles wird 35 Jahre nach der Bandgründung Ende Februar 2014 einen Tribute-Sampler für Duran Duran veröffentlichen, die Erlöse gehen an Amnesty International und mit Grimes, Warpaint, Little Dragon, Moby, den Liars und Juliette Lewis gibt es auch schon eine honorige Teilnehmerliste. Das Label hat für die Neuinterpretationen im Übrigen bewußt unbekanntere Albumtracks und B-Seiten gewählt, auf "Wild Boys" oder "Girls On Film" wird man also vergeblich warten.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Poliça: Der Kampf im Kleinen

Poliça
„Shulamith“

(Indigo)

Die auffälligste Änderung ist eine optische: Vom verlassenen Doppelbett bei „Give You The Ghost“ zum blutüberströmten Frauenkörper auf dem Cover der aktuellen Platte – zusammen mit dem Titel, der den direkten Bogen zur letztjährig verstorbenen Radikalfeministin Shulamith Firestone schlägt, kann man den Hörer mit der Nase kaum deutlicher auf Ansinnen und Grundhaltung stoßen. Und doch wird Channy Leanagh, die sich neben vier weiteren Mitstreitern hinter dem Bandkollektiv Poliça verbirgt, nicht müde zu betonen, dass sie unter keinen Umständen eine politische, gar feministische Platte machen wollte. Ein Widerspruch? Interessant ist dabei, dass Leanagh offenbart, sie habe dieses zweite Album erst mit dem unzweideutigen Titel versehen, nachdem  alle zwölf Titel schon im Kasten waren, genauer nach der Lektüre eines Schlüsselwerkes von Firestone, das sie nachhaltig berührt habe.

Fremd sind ihren Liedern die Themen der Frauenrechtsbewegung sicher nicht, die alleinerziehende Mutter einer Tochter schildert diesen Kampf um das weibliche Selbstverständnis und gegen eine patriarchalisch dominierte Gesellschaft schon auf ihrem Debüt, nur eben – und hier löst sich der etwaige Widerspruch – aus einer ganz persönlichen, fast schon intimen Sicht. Sie nutzt die drastischen Bilder, die sich so auch im Video zur Single „TIFF“ wiederfinden, um Aufmerksamkeits- und Reizpunkte zu setzen, das Grelle und Laute als Stichwortgeber für die alltäglichen, die ganz privaten Schlachten. Titel wie „Warrior Lord“ und „Very Cruel“ meinen also das Große, Ganze, erzählen aber die kleinen Geschichten, besagtes „TIFF“ illustriert nicht weniger als das immergleiche Hadern mit den eigenen Fesseln und Zwängen, im Video geht Leanagh mit sich selbst hart in den Clinch – schön anzusehen ist das selten.

Musikalisch ist „Shulamit“ sehr nah am Erstling, die Stimme wirkt wegen des reduzierten Einsatzes von AutoTune klarer und unmittelbarer und die Stücke sind, wenn dies überhaupt möglich ist, noch ein Stück weit komplexer, vielschichtiger geworden. Unverändert dominant der Part der doppelt besetzten Drums und die virtuos geloopten, gewaltigen Synthiesequenzen, poppige Klänge („Chain My Name“, „Trippin‘“) wechseln mit bedrohlichen („Smug“), analoges Schlagwerk („Matty“) mit technoiden Beats („Spilling Lines“), hier ein paar Anklänge an die „Army Of Me“ von Björk („Very Cruel“), dort der zart gesäuselte Gastbeitrag von Freund und Allrounder Justin Vernon („TIFF“). Poliça bleiben angenehm wechselhaft und schlecht fassbar, bringen aber durch Leanaghs warmes Timbre verlässlich das Schöne und das Erhabene in die wild wuchernden, zuweilen sprunghaften Soundeskapaden. Ein ernsthaftes, ein seltenes Schmuckstück – schon wieder. http://thisispolica.com/uk/

Der Komplettstream des Albums findet sich momentan bei NPR.

25.01.  Hamburg, Uebel & Gefährlich
27.01.  Berlin, Heimathafen
28.01.  Köln, Kulturkirche
01.02.  Lausanne, Les Docks (CH)
02.02.  Baden, One Of A Million Festival (CH)